Cut Scene“ aus Zerberus – Teil 2 des

Epilogs

Mark lächelte, als sich Laura trotz der sommerlichen Temperaturen eng an ihn schmiegte. Bisher hielt ihr Aufenthalt an der dänischen Nordseeküste, was er sich davon versprochen hatte. Erstmals hatten sie Zeit für sich, ohne Kinder, die bei Em waren, oder die ständige Gefahr eines Einsatzes. Die letzten sieben Tage hatten sie für Motorradtouren und ausgedehnte Spaziergänge am Meer oder für faule Stunden im Zimmer des kleinen, aber gemütlichen Hotels genutzt. Nachdem sie den erforderlichen Mindestaufenthalt hinter sich gebracht hatten, stand der entscheidenden Unterschrift am nächsten Tag nichts im Wege. Lächelnd zerzauste er Lauras Haare, die durch Sonne und Salzwasser einen rötlichen Schimmer bekommen hatten. „Was ist los? Du wirkst plötzlich so nachdenklich." „Ich überlege, ob ich dich etwas frage. Na ja, eigentlich zwei Sachen. Oder nein, drei." Überrascht über den ernsten Ton blieb er stehen. „Statt lange zu überlegen, tu es einfach." „Ich will diese Stimmung nicht verderben." „Tust du nicht. Wenn ich nicht antworten will, wirst du es schon merken." Laura knuffte ihn. „Also manchmal könnte ich dich …" „Küssen?", schlug er grinsend vor. „Eher nicht. Also, gut. Mit wem hast du heute Morgen telefoniert, als ich im Badezimmer war?" Um Zeit zu gewinnen, beobachtete er wie eine Möwe mit schrillem Kreischen auf die Wasseroberfläche hinabstieß, und entschloss sich dann zu einer ehrlichen Antwort. „Wenn ich geahnt hätte, dass du das mitbekommen hast, hätte ich es dir schon früher erklärt. Der Anruf war von Henrik." Als er Lauras weit aufgerissene Augen sah, wurde ihm schlagartig bewusst, dass sie bei der Erwähnung des Chefarztes der Ostseeklinik, in der seine Schwester behandelt wurde, die falschen Schlussfolgerungen gezogen hatte. „Beruhige dich, keine schlechten Nachrichten. Eher im Gegenteil." „Was hat er gesagt?" „Eine neue Zahl: Dreizehn nach Glasgow." „Dreizehn", wiederholte Laura verblüfft. Dr. Henrik Fischer hielt eigentlich nicht besonders viel von der Glasgower Skala, die üblicherweise zur Beurteilung komatöser Zustände herangezogen wurde. Ihm waren die Kategorien zu standardisiert, und er bevorzugte seine eigene Methode. „Vor vier Wochen waren es höchstens sechs. Wenn Henrik sich zu solch einer Aussage hinreißen lässt, dann heißt das Einiges. Er ist übervorsichtig mit seinen Prognosen", überlegte Laura laut. Mark wehrte sofort ab. „Mach dir nicht zu große Hoffnung. Sicher ist nur, dass Sharas Zustand sich gebessert hat. Du hast genügend Patienten erlebt, die wieder aufgewacht sind, selbst wenn meine Schwester aus dem Koma erwacht, dauert es Monate, bis sie ein normales Leben führen kann – wenn überhaupt." „Aber dreizehn bedeutet obere Grenze bei mittleren Fällen. Das klingt richtig gut. Hat er Details genannt?" „Ja, unter anderem hat sie sehr heftig auf einen Besuch von Rami reagiert, dieses Mal mit Worten, die zunächst nicht verständlich waren. Aber Rami und Henrik haben sofort die richtige Idee gehabt. Für sie war das nicht verständlich, aber für Tom schon, er spricht fließend Paschtu und versteht etliche afghanische Dialekte. Ich habe ihn gebeten, für Henrik zu übersetzen. Das war alles. Zufrieden?" „Ja. Nein." „Was denn jetzt?", hakte Mark nach. „Du hättest es mir gleich sagen sollen." „Vielleicht. Aber ich wollte nicht, dass irgendetwas unsere Zeit stört." „Du meinst wohl eher mich stört? Hör auf damit, Mark. Du musst mich nicht ständig beschützen, wir machen so was gemeinsam durch. Verstanden? Was glaubst du denn, wie ich zurechtkomme, wenn du unterwegs bist?" Er musste ihr zustimmen. Obwohl er so oft wie möglich nach Hamburg flog, gab es immer wieder tage- und wochenlange Trennungen. „Also gut, tut mir leid. Was meinst Du: Fahren wir zurück ins Hotel?" „Und was wollen wir da?", fragte sie mit einem frechen Grinsen. „Ich lasse mir was einfallen", versprach er. Lauras Lachen blitzte wieder auf, dann wurde sie schnell wieder ernst. „Da ist noch was.“ Sie machte eine kurze Pause, ehe sie weitersprach. „Mein Vorschlag war falsch." Mark runzelte verständnislos die Stirn. „Na, die ganze Art und Weise. Alleine hierher zu fahren.“ Absichtlich übertrieben seufzte er. „Das ist schon in Ordnung so. Können wir nicht einfach …" Bedeutungsvoll sah er in die Richtung, in der der Parkplatz lag, auf dem seine Yamaha stand. „Nein, es ist mir wichtig. Ich wusste, dass du mit Sven und Dirk befreundet bist und irgendwie auch mit Jake. Aber eigentlich habe ich erst begriffen, wie viel dir dein Team bedeutet, als du mir ein bisschen was von ihnen erzählt hast. Du hättest sie bei unserer Hochzeit gerne dabei, oder? Ich nämlich jetzt auch." „Diese Nervensägen? Ich bin froh, sie einige Tage nicht zu sehen. Aber es war deine Entscheidung, einfach nur ein Blatt Papier zu unterschreiben. Du hättest es auch anders haben können." „Hör auf, Mark. Es geht hier nicht um mich. Und in Deutschland gibt es außer Em und deinen Freunden niemanden, der auch mir nahesteht. Bei euch und in deinem Team ist das völlig anders: Ihr seid euch näher als manche Familienmitglieder. Sie werden sauer sein." Er erinnerte sich noch an Dirks Versuche, ihn auszufragen, winkte aber lässig ab. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Erstens bin ich der Boss, und zweitens haben sie mir bisher jeden Alleingang verziehen. Sie werden sich am Ende einfach mit uns freuen. Außerdem hat dein Entschluss auch Vorteile. Der Papierkram in Deutschland hätte uns wahnsinnig gemacht." Mark dachte an einen bestimmten Punkt in den Navy-Vorschriften und lachte. „Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich meinen vorgesetzten Offizier um eine Heiratserlaubnis bitten müsste? Ganz schöner Schwachsinn, oder?“ Überzeugt schien Laura nicht, aber sie ließ das Thema fallen, und Mark atmete auf. Das Rotorengeräusch eines tieffliegenden Hubschraubers übertönte das Plätschern der Wellen und Kreischen der Möwen. Automatisch verfolgte er den Kurs des Helikopters. Weil die Sonne ihn blendete, konnte er das Nationalitätskennzeichen nicht erkennen, aber soweit er wusste, verfügte das dänische Militär über keine der recht neuen NH 90- Transporthubschrauber. Die Maschine schwebte sekundenlang über ihnen, dann drehte sie ab und setzte ihren Flug fort. Der Hubschrauber schien in einiger Entfernung zu landen, jedenfalls wenn er das leiser werdende Geräusch richtig interpretierte. Aber das war keine Überraschung, die deutsche Grenze war nicht allzu weit entfernt, und beide Armeen trainierten regelmäßig zusammen. Nach wenigen Minuten hatten sie die schmale sandbedeckte Straße erreicht, die mitten in den Dünen endete. Verlassen stand seine Yamaha auf dem kleinen Parkplatz, der bei ihrer Ankunft noch gut besucht gewesen war. Laura wollte auf das Motorrad zugehen, aber Mark hielt sie zurück. „Warte", befahl er. Aufmerksam betrachtete er die umliegenden Dünen. Eine flüchtige Bewegung hinter einem ausgetrockneten Busch und ein rötlicher Schimmer, der dort nicht hingehörte, alarmierten ihn. Rasch zog er Laura hinter sich. „Irgendwas stimmt nicht", teilte er ihr leise mit. Er hätte einiges für sein Gewehr mit Zielfernrohr gegeben, aber im Moment musste seine Digitalkamera reichen. Mit einem Griff hatte er sie aus seiner Lederjacke gezerrt und zoomte den Busch dichter heran. Als er den Grund für die rote Färbung erkannte, musste er lachen. „War das vorhin dein Ernst?" „Was meinst du?" „Ich meine, dass du deine Meinung geändert hast." „Ja, sicher. Warum?" „Darum", antwortete Mark und grinste, als er ihre verwirrte Miene sah. Als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, stieß er einen gellenden Pfiff aus. „Was soll das?" „Warte einfach.“ Das Geräusch mehrerer Motorräder wurde stetig lauter. Mit hoher Geschwindigkeit tauchten zwei Maschinen aus der Kurve auf und bremsten vor ihnen dermaßen scharf, dass der Sand zu allen Seiten spritzte. Kaum hatten die Fahrer ihre Zweiräder zum Stillstand gebracht, erschienen zwei weitere, die mit zwei Personen besetzt und deutlich vorsichtiger unterwegs waren. Lauras Augen weiteten sich überrascht, als der Fahrer des ersten Motorrads abstieg und sich breit grinsend Helm und ein Headset herunterriss. „Habt ihr wirklich geglaubt, damit durchzukommen?", erkundigte sich Dirk ausgesprochen spöttisch. Alex hatte die zweite Maschine gefahren und ihr Gesichtsausdruck stand dem ihres Mannes in nichts nach. „Ich hätte euch für intelligenter gehalten." Sven, Britta, Jake und Lisa grinsten sie ebenfalls an. Nach einer Begrüßung, die einer Kakophonie aus Gesprächsfetzen glich, packte Lisa Laura am Arm. „Los, komm mit, wir haben noch einiges vorzubereiten. Du fährst bei Alex mit, ich nehme Britta auf Jakes Kiste mit." Sofort fuhr Jake herum. „Moment, vergiss es, wie soll ich …" „Mir doch egal, fahr bei Mark oder Dirk mit oder geh zu Fuß. Jetzt steht nicht so herum, Laura. Em und die Kinder warten im Hotel und werden bestimmt allmählich ungeduldig. Ich mag gar nicht daran denken, was wir noch alles organisieren müssen. Ach ja, unsere Eltern sind natürlich auch da und ein paar Freunde. Na, du wirst schon sehen …" Mark schmunzelte über Jakes fassungslose Miene, mit der er seinem Motorrad nachsah „Ich glaube das nicht", murmelte sein Freund leise. „Nette Aktion, Jake. Aber an euerm Späher müsst ihr noch arbeiten." Endlich wandte sein Freund den Blick von der leeren Straße ab. „Tom konnte sich nicht von Andi losreißen, Pat hatte sich freiwillig angeboten." „Andi? War er das mit dem Hubschrauber?", vermutete Mark. „Klar, der gehörte zu uns und einige Fahrzeuge. Wir konnten weder die Kinder noch das Gepäck auf den Motorrädern mitnehmen. Freu dich, ich habe deine Uniform eingepackt." Jake grinste breit und holte ein zerknittertes, mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus seiner Lederjacke „Und dir das besorgt", verkündete er. Dirk und Sven brachen gleichzeitig in Lachen aus, als Mark das Formular überflog und genervt den Mund verzog. „Das hätte ich schon hinterher gerade gebogen." „Sicher, Captain", bestätigte Dirk und boxte ihm leicht in die Seite. „Unglaublich, dass ein Angehöriger der Navy die Erlaubnis seines Vorgesetzten braucht, wenn er heiraten will. Sechzehntes Jahrhundert oder woher stammt der Schwachsinn?" „Keine Ahnung, hätte mich auch nicht interessiert. Was habt ihr vor? Wie ihr uns gefunden habt, brauche ich ja nicht zu fragen, oder?" „Der eingebaute GPS-Chip deines Sat-Handys hat die Angelegenheit erleichtert, dazu noch der nächtliche Besuch eines begabten Hackers beim örtlichen Standesamt und die Sache war klar. Na ja, das Hotel ist fest in unser Hand und man könnte sagen, dass wir fürs richtige Ambiente sorgen", erklärte Sven. „Inklusive vorgeschriebener blauer Uniform", ergänzte er boshaft grinsend. „Uniform? Ich hatte nicht vor …" Mark gab auf, als er die Mienen seiner Freunde betrachtete. „Weiße Uniform oder ihr seid tot." Sven verschränkte die Arme vor der Brust. „Vorgeschrieben ist blau und morgen sollen es 25 Grad werden. „Ich meine es ernst …", versuchte sich Mark Gehör zu verschaffen, erntete aber nur lautes Gelächter. Schließlich legte Dirk ihm eine Hand auf den Arm. „Lass uns leben. Jake hat uns schon aufgeklärt. Weiß." Sein Freund reckte sich, sodass irgendwelche Rückenwirbel hörbar knackten. „So, genug geredet, zum Glück scheinen die Beiden mit unserem Überfall leben zu können. Jake, du kannst bei mir mitfahren, ich brauche dringend eine Dusche und ein kaltes Bier. Die Reihenfolge überlege ich mir während der Fahrt." Breit lächelnd ging Mark zu seiner Yamaha. Die nächsten Stunden würden interessant werden. Statt einer unpersönlichen Trauung in Form ihrer Unterschriften auf einem offiziellen Formular, testiert von zwei unbekannten Trauzeugen, die ihnen das dänische Standesamt zur Verfügung gestellt hätte, standen Mark und Laura am nächsten Vormittag im Foyer des Hotels, das mit weißen Girlanden und unzähligen Blumengestecken nicht wiederzuerkennen war. Amüsiert beobachtete Mark, wie begeistert Laura sämtliche Details in sich aufnahm, ihre Vorbehalte gegen seine Familie und seine Freunde schienen endgültig vergessen zu sein. „Ich war ein Idiot", flüsterte sie Mark leise zu, als ob sie seine Gedanken erraten hätte. Statt einer Antwort zog er sie eng an sich. „Ohne Em und die Kinder wäre es nicht dasselbe gewesen." Ein flüchtiger Schatten zeigte sich auf Lauras Gesicht. Ehe Mark etwas sagen konnte, erklang die tiefe Stimme seines Vaters hinter ihnen. „Denk heute nicht an deine Eltern, Laura. Sie sind selbst schuld, dass sie unsere Einladung ausgeschlagen haben. Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, seine Freunde schon und da hast du entschieden mehr Glück gehabt. Außerdem bekommst du Rose und mich auch noch dazu. Aber dazu sag lieber nichts, zerstör nicht meine Illusion, dass du perfekte Großeltern für die Kinder und natürlich Schwiegereltern bekommst", forderte er augenzwinkernd. Die Worte seines Vaters trieben Laura Tränen in die Augen. Im nächsten Moment hing sie am Hals des Admirals, der ihr etwas hilflos über den Rücken streichelte. Die Hoteldirektorin, die es mit bemerkenswerter Gelassenheit hingenommen hatte, dass neben diversen Fahrzeugen auch ein Hubschrauber auf ihrem Parkplatz stand, sah sich prüfend in der Halle um. „Es kann losgehen", verkündete sie energisch. Laura zögerte. „Sag mal, Mark Ich wollte nur dieses Ganze. Der Hubschrauber, das Hotel das kostet doch ein Vermögen. Wir sollten deinem Vater anbieten, dass wir …" Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Sag ihm das selbst. Ich kann mir seine Reaktion ungefähr vorstellen." „Ich mir auch. Kannst du das nicht übernehmen?" „Ich? Ich hänge an meinem Leben. Mach dir keine Sorgen, das geht schon in Ordnung." Herausfordernd tippte sie auf die bunten Auszeichnungen an seiner Uniform. „Ich dachte, du wärst mutiger." „Mutig und verrückt sind zwei verschiedene Dinge." Diesmal zog sie provozierend an dem goldenen Trident. „Ich dachte, dafür stünde euer Abzeichen." „Falsch gedacht. Bist du fertig damit, an meiner Uniform herumzuzerren?" „Eigentlich nicht. Die gefällt mir wirklich gut. Jetzt verstehe ich, warum diese dämliche Ziegen so hinter dir her waren. Und die gute Frau Almquist kann den Blick auch kaum von dir lösen." Betont beleidigt verzog sie den Mund. Mark runzelte die Stirn und lachte dann leise. „Meinst du diese Roberts-Schwestern? Die habe ich schon längst vergessen und Frau Almquists Aufmerksamkeit gilt jetzt Tom." Leise lachend gab Laura ihm Recht, als sie sah, wie die Hoteldirektorin an den Lippen des SEALs hing. Nach den erforderlichen Unterschriften, den Glückwünschen des Standesbeamten und dem obligatorischen Kuss, war Dirk, der Erste, der ihnen gratulierte. Für Marks Geschmack fiel der Kuss zu innig aus, aber der Feststellung seines Freundes, dass ihm Lauras Nachnamen jetzt gefiel, schloss er sich vorbehaltlos an. Ramis Blick war nicht schwer zu verstehen. „Das regeln wir in Deutschland", versprach er ihr und zauberte ein Lachen auf ihr Gesicht. Aufgrund des schönen Wetters war die Feier auf die Grünfläche vors Hotel verlegt worden. Umgeben von Rosenbüschen, die in voller Blüte standen, waren Bistrotische, Stühle und Sonnenschirme verteilt worden. „Viel Spaß", wünschte Dirk ihnen augenzwinkernd und deutete auf die Holztür, die ins Freie führte. Als sie aufschwang, stöhnte Mark unwillkürlich auf. Sämtliche SEALs hatten an beiden Seiten des Sandwegs Aufstellung genommen, die Offiziere unter ihnen bildeten mit ihren traditionellen Säbeln einen glänzenden Bogen. „Mann, sieht das toll aus", kommentierte Rami. „Na los, dann haben wir es hinter uns", erwiderte Mark wenig begeistert und erntete empörte Blicke der Frauen. Aber als sie Rage und Dell erreicht hatten, musste er sich auf die Innenseite seiner Wange beißen, um nicht laut loszulachen. „Probleme?", erkundigte er sich bei Dell mühsam beherrscht, während Rami und Laura ungehemmt kicherten. „Ziemliche", gab Dell unumwunden zu und steckte seinen Säbel weg. Tim war Alex offensichtlich entkommen, zerrte an der Hose des SEALs und forderte energisch „Hoch". Der SEAL hob den Jungen auf den Arm, der sofort vor Freude strahlte. Nicki hatte das Schauspiel stumm verflogt und sah nun Mark bittend an. Ohne zu zögern erfüllte er dem Jungen seinen Wunsch. „Sieht aus, als ob sie euch fest im Griff hätten", stellte Rage süffisant grinsend fest. Ein rasch anschwellender ohrenbetäubender Lärm verhinderte eine angemessene Antwort. Zwei Kampfflugzeug jagten im Tiefflug auf sie zu und stiegen unmittelbar über ihnen senkrecht in die Luft. In einem weiten Winkel entfernten sie sich voneinander, flogen in einem atemberaubenden Manöver wieder aufeinander zu und stießen steil herab. Erschrocken schnappte Laura nach Luft an, aber die Jets gewannen rasch ihre normale Flughöhe zurück und entfernten sich mit wackelnden Flügeln. „Sieh doch, Mama, sieh nach oben. Das glaubt mir in der Schule keiner. Em, mach ein Foto", forderte Rami. Begeistert starrte sie auf das gigantische Herz, das die Abgasstrahle der Phantomjäger an den Himmel gemalt hatten. Das Grinsen, mit dem Andi und Mike auf sie zukamen, verriet, wer für den Zwischenfall verantwortlich war. Wieder folgten herzliche Umarmungen und Glückwünsche. „Lauter ging es wohl nicht?", erkundigte sich Mark schließlich gespielt unwirsch. Andi runzelte nachdenklich die Stirn. „Vielleicht, wenn wir mehr Vorbereitungszeit gehabt hätten, aber so sind uns nur die F4Fs eingefallen, Mac." „Eine Karte hätte es auch getan", warf Laura ein und erntete ein empörtes Luftholen ihrer Tochter. „Dann bin ich froh, dass ihr keine längere Vorbereitungszeit hattet. Ich möchte nicht wissen, was euch dann eingefallen wäre. Die Überraschung ist euch jedenfalls gelungen." „Kein Problem, für dich immer und bei so einem Anlass sowieso." Zufrieden ließ Mark seinen Blick durch den Garten, in dem die Feier noch in vollem Gange war, schweifen. Neben den beiden SEAL-Teams und den KSK-Soldaten waren enge Bekannte oder Freunde eingeladen worden und da seine Freunde in Eigenregie dafür sorgten, dass der Nachschub am Schwenkgrill und an Getränken nicht gefährdet war, brauchten sie keine Rücksicht bei ihren Gesprächen nehmen. Allerdings hätte er auf die Anwesenheit seines Patenonkels verzichten können. Harm Richards schien einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten aus Marks Jugend zu haben, die er nun Laura präsentierte. Mark versuchte es mit einem warnenden Blick. Unbeeindruckt winkte sein Onkel ab. „Vergiss es, Junge. Das hat bei mir schon nicht funktioniert, als du siebzehn warst." „Bestechung?" Mark schob ihm eine geöffnete Bierflasche hin. „Schon eher, kommt aber gegen das Lachen deiner Frau nicht an. Also, Laura, wo waren wir stehen geblieben? Ganz schlimm wurde es, als er mit neunzehn Brian kennen gelernt hat. Brian ist der größte Chaot unter der Sonne, aber beide zusammen, das ist …" Mark hörte nicht weiter zu, sondern dachte mit einem Anflug von Wehmut an seinen Freund, der irgendwo in Nordafrika im Einsatz war. Entschieden schüttelte er den Gedanken ab und wollte einen neuen Versuch unternehmen, seinen Onkel zu einem Themenwechsel zu bewegen, als dieser plötzlich verstummte und auf einen Punkt hinter Marks Rücken starrte. Irritiert drehte er sich um. Ein weißer Volvo bog mit überhöhter Geschwindigkeit in den Sandweg zum Hotel ein, landete fast auf dem Rasen und kam dann schlitternd knapp vor einem Mercedes zum Stehen. Fahrer und Beifahrer waren allem Anschein nach in ein heftiges Wortgefecht verwickelt und keiner machte Anstalten, den Wagen zu verlassen. Mark spürte, wie sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Er hätte es wissen müssen. Eilig ging er auf den Volvo zu. „Du verdammter Idiot, Dad bringt dich um", begrüßte er Brian. „Das denke ich auch, aber das ist es mir wert. Glückwunsch, Mark." Herzlich umarmten sie sich, ehe Jerry, Brians Stellvertreter, sein Recht forderte. „Legst du ein gutes Wort für uns ein, Mark?" „Ich sehe, was ich für euch tun kann. Aber ich fürchte …" Der Admiral kam auf sie zu, schon von weitem sahen sie ihm an, dass er stinksauer war. Außer Atem fing Rose ihren Mann ab. „Nicht heute, Jim. Lass den Jungen leben. Sieh dir an, was es ihnen bedeutet, sich heute zu treffen. Der Job fordert sonst genug Opfer von ihnen. Vertrau Brian, er wird schon wissen, was er tut." Gezielt übersah Brian den Admiral, der seit seinem neunzehnten Geburtstag wie ein Vater für ihn war, und umarmte stattdessen Rose. „Ich freue mich, dich zu sehen." „Es ist viel zu lange her, mein Junge. Schön, dass ihr es geschafft habt. Nicht wahr, Jim?" Der Admiral ignorierte die unverblümte Aufforderung seiner Frau und blickte seinen Teamchef kalt an. „Nicht, wahr, Jim?", wiederholte Rose lauter, diesmal mit einer deutlichen Drohung. „Ich will keine Einzelheiten hören, aber wenn die Operation auffliegt, dann könnt ihr wieder vorne anfangen, beim BUD/S Training. Ist das klar?" „Aye, Sir", bestätigten Jerry und Brian wie aus einem Mund. Dann grinste Brian vorsichtig. „War’s das jetzt, Jim?" Er wartete keine Bestätigung ab, sondern umarmte Laura herzlich, die zögernd näher gekommen war. „Glückwunsch, Laura. Schön, dass wir uns endlich kennen lernen. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass es Mark erwischt hat. Das wurde aber auch Zeit." Mark lächelte, als er sah, wie verblüfft Laura Brian ansah. Mit der dunklen Jeans und dem weißen T-Shirt, den blonden, ungekämmt wirkenden Haaren und den Augen, die meistens fast schwarz wirkten, entsprach er nicht im Geringsten dem Bild eines Navy- Offiziers. Energisch versuchte Jerry seinen Freund zur Seite zu schieben, ein vergebliches Unterfangen, da er mindestens einen halben Kopf kleiner als Brian war. „Vielleicht stellst du dich erstmal vor, Reese? Und dann nimm endlich deine Hände von Laura. Erstens will ich sie auch begrüßen und zweitens bringt Mark dich sonst noch um." Endlich schaffte er es, sich zwischen die beiden zu drängen und küsste Laura auf beide Wangen. „Ich bin Jerry Starwell, die meistens nennen mich Star, und falls du dich wunderst, wo meine Haare geblieben sind. Das liegt an Brian. Mit so einem Boss vergiss es. Alleine die Idee, heute aufzutauchen …" „Moment, es war deine Idee, das Flugzeug auszuleihen", protestierte Brian empört. „Stimmt nicht. Ich habe bedauert, dass es nicht funktioniert." „Eben. Deine Idee. Ich habe dir nur bewiesen, dass es doch geht." Schlagartig schien Brian jedes Interesse an dem Geplänkel mit Jerry verloren zu haben, was vermutlich auch gesünder war, da der Admiral bereits hörbar nach Luft geschnappt hatte. Lächelnd visierte Brian sein nächstes Opfer an. „Hey, ich bin Brian, du musst Dirk sein. Als erstes verrate mir, wie du und dein Partner Mark und Jake beim Training fertig gemacht haben, und dann will ich wissen, wo es das Bier gibt." Jerry stöhnte, als er Marks grimmigen Blick bemerkte. „Er lernt es nie, den Mund zu halten. Wie soll ich dem Chaoten nur den Rücken freihalten?" Nach dem Einsetzen der Dämmerung tauchten Fackeln und Windlichter den Garten in ein behagliches Licht. Dennoch blickte Mark sich misstrauisch um. Irgendetwas war im Gange, das ihn ausschloss. Er hatte lediglich einen skeptischen Blick von Sven in seine Richtung auffangen können, dann waren seine engsten Freunde verschwunden. Wenigstens gab es an der von Jake und Dirk ausgesuchten Musik nichts auszusetzen. Sie hatten seinen Geschmack perfekt getroffen, trotzdem sah er sich ein weiteres Mal vergeblich nach seinen Freunden um. Dann gab er es auf und die eindringlichen Klänge von Phil Collins’ „In the air tonight" brachten die Erinnerung an den Zeitpunkt vor Dirks Haus zurück. Wieder sah er sich mit seinem Freund zusammen, ruhig und entschlossen auf das Haus zugehen, obwohl sie wussten, was sie drinnen erwarten würde. Es schien zu passen, dass unerwartet Dirk vor ihm stand und seine Gedanken erraten hatte. „Die Nacht, als ich dich zur Vernunft bringen musste?" Obwohl sein Freund ohne jeden Spott gesprochen hatte, hätte Mark eine andere Formulierung vorgezogen, so nickte er lediglich. „War ganz schön knapp. Ich hoffe, diesmal bist du schneller einsichtig. Komm mit. Wir müssen reden." Vor neugierigen Blicken durch einen hohen Rosenbusch verborgen, sahen ihnen sein Vater, Sven und Jake entgegen. „Deine Freunde wissen bereits Bescheid und ich hoffe, dass ihre Anwesenheit verhindert, dass du wieder eine deine überstürzten Entscheidungen im Alleingang triffst. Heute Abend kann ich auf eine unserer Machtproben verzichten, Captain." Endgültig besorgt nickte Mark knapp. Die Anrede war ein deutliches Zeichen, dass es formell wurde. Aber wieso dann die Anwesenheit von Sven und Dirk? „In den letzten Wochen sind in Washington und Coronado Entscheidungen gefallen, die uns direkt betreffen." Das Ganze gefiel Mark immer weniger. Die Gerüchteküche war seit Wochen auf Hochtouren gelaufen und Mark und Jake hatten vergeblich spekuliert, was in der Luft lag. Andeutungen machten die Runde, dass die Spezialteams aufgelöst werden sollten, aber das hätte nach der Versetzung von Rage und ihrer Erfolgsquote keinen Sinn gemacht. Auf der anderen Seite war das Militär für unsinnige Entscheidungen bekannt. Vergeblich versuchte Mark Jakes Miene zu interpretieren, fand aber nur Gelassenheit. Endlich sprach sein Vater weiter: „Obwohl ihr bei dieser Giftgasaffäre erfolgreich ward, hat es heftige Irritationen über unser Vorgehen zwischen und Berlin und Washington gegeben. Einiges konnten Tannhäuser und ich abfangen, leider nicht alles. Ich erspare euch die endlosen Diskussionen über gesetzliche Grundlagen und die halbherzige Unterstützung im Kampf gegen den Terror, wichtig ist nur das Ergebnis: Für mindestens ein Jahr wird eines unserer Teams in Deutschland stationiert. Wir hatten bisher ein reguläres Team mit logistischer Unterstützungstruppe in Stuttgart, das wird geändert. Die Logistiker bleiben, werden aber nach Rostock verlegt. Schwerpunkt werden Einsätze im europäischen und arabischen Raum sein, daneben wird das Team Ausbildungsaufgaben beim KSK und den Kampfschwimmern der deutschen Marine übernehmen." Überrascht fuhr Marks Kopf zu Jake herum und fand seinen Verdacht bestätigt. Der Gedanke, für einen begrenzten Zeitraum in Lauras Nähe stationiert zu sein, war verführerisch, dennoch schüttelte er entschieden den Kopf. „Nette Idee, aber ich werde meine Männer nicht aus ihrem familiären Umfeld reißen, nur weil ich zufällig ..." Jake ließ ihn nicht ausreden, sondern seufzte. „Genau das haben wir befürchtet. Denk nach, Mark. Wer wäre geeigneter für den Job als wir? Ein reguläres Team? Eher nicht. Rage? Reese? Vergiss es. Wir kennen das Land, haben hier Freunde, Kontakte zum KSK und sprechen teilweise die Sprache. Außerdem hast du von uns noch kein Hochzeitsgeschenk bekommen verdammt, Mark, wir würden dir auch für zwölf Monate in die Wüste folgen, Rostock ist um Einiges angenehmer. Die Jungs freuen sich für dich und sind einverstanden." „Du hast mit ihnen bereits gesprochen?" „Sicher." Mark holte scharf Luft, doch Dirk ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern drückte ihm einen Umschlag in die Hand. „Rostock ist über die A20 von Ahrensburg aus gut erreichbar. Ungefähr eine Stunde. Das ist ein Kaufvertrag für das Haus, in der das Team untergebracht war. Ich weiß, dass es dir gefallen hat und netterweise wollen die Besitzer es dringend loswerden. Der Preis ist so günstig, dass du es problemlos in einigen Monaten mit Gewinn wieder verkaufen kannst. Rami kann mit der S-Bahn ihre alte Schule erreichen und Laura ist dicht bei ihren Freundinnen, wenn du unterwegs bist." Mark fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Das Gefühl, überrumpelt worden zu sein, hielt sich mit der Gewissheit, dass die Argumente seiner Freunde zutrafen, die Waage. „Das habt ihr euch ja schön ausgedacht. Und ich habe dabei nichts zu sagen?" Sein Vater klang bereits ungeduldig: „Nicht unbedingt, ich kann es auch befehlen, aber es wäre mir lieber, wenn du dich über die Gelegenheit freust." „Natürlich wäre das Ganze für mich ideal, aber ich kann mein Interesse nicht über …" Dirk unterbrach ihn erneut. „Jetzt hör endlich auf. Deine Jungs freuen sich, nur du machst Stress. Jetzt gib nach oder ich fahre schärfere Geschütze auf." „Und was könnte das sein?" „Zwinge mich nicht dazu, es auszusprechen. Nicht, wenn du es geheim halten willst. Andererseits wissen wir ja sowieso Bescheid." Mark wich dem herausfordernden Blick seines Freundes nicht aus, es gab Dinge, die selbst sein Freund nicht wissen konnte, aber Svens leises Lachen gefiel ihm ebenso wenig wie Jakes angedeutetes Grinsen. Übertrieben seufzend schüttelte Dirk den Kopf. „Also gut, deine Entscheidung. Laura wird dich die nächsten Monate brauchen. Mit zwei Kindern in ihrem Zustand alleine, während du unterwegs oder in Virginia bist, ist nicht gerade ideal, oder?" Fassungslos starrte Mark ihn an. Er hatte sich geirrt, Dirk wusste Bescheid, wenn er Jakes und Svens Grinsen richtig interpretierte, die beiden ebenfalls. „Woher weißt du …?" „Ich doch nicht, für so etwas haben wir Sven. Ihm ist aufgefallen, dass deine Frau außer einem halben Glas Sekt nichts getrunken hat und ziemlich dicht am Wasser gebaut ist. Wir haben dann gezielt noch andere Hinweise gesucht und gefunden. Tja, Captain, in der Beziehung kannst du noch etwas von uns lernen, wir haben die Erfahrung schon hinter uns. Herzlichen Glückwunsch … Daddy." Sein Ärger verflog endgültig, als wie auf ein geheimes Zeichen Laura auftauchte und sich ratlos umsah. „Was ist denn hier los?" Unwillkürlich fragte er sich, warum er eine Minute gezögert hatte, das Angebot anzunehmen. „Ich habe gerade das Hochzeitsgeschenk von meinem Vater und dem Team bekommen: Stationierung in Rostock." Ungläubig öffnete Laura den Mund und sah statt Mark den Admiral an. Erst als der nickte, brach sie in Tränen aus und fiel seinem Vater um den Hals. Über ihre Reaktion verblüfft hob Mark eine Schulter. „Verstehst du das?", fragte er keinen Bestimmten. Lachend schlug Dirk ihm auf den Rücken. „Gewöhn dich daran, dass geht die nächsten Monate so weiter. Sie sind unberechenbar und heulen bei jeder Kleinigkeit los." Mark öffnete noch warnend den Mund, aber es war zu spät. Alex hatte sich von ihrem Mann unbemerkt zu ihnen gesellt und die spöttische Bemerkung mitbekommen. Nach einem kräftigen Boxhieb in den Rücken hob Dirk abwehrend die Arme. „Schon gut, Alex, ich sage nichts mehr und nehme alles zurück." Statt das Geplänkel mit ihrem Mann fortzusetzen, legte Alex lauschend den Kopf auf die Seite. „Hör mal, sie spielen euer Lied." Mark lächelte, als er den Refrain des Meat Loaf Songs erkannte. „Sometimes we must fight, but we never bend, the hero keeps fighting, standing tall in the end.” Grinsend schüttelte Dirk den Kopf. „Netter Gedanke, aber völlig übertrieben." Er wurde ernst und für einen Augenblick verlor sich sein Blick in der Ferne. Dann hob er lächelnd seine Bierflasche und sah sie der Reihe nach fest an. „Aber eins ist richtig: Aufgeben ist keine Option!" Ohne zu zögern, absolut synchron erwiderten Mark, Jake und Sven den Gruß und antworteten wie aus einem Mund. „Niemals!"
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Mark lächelte, als sich Laura trotz der sommerlichen Temperaturen eng an ihn schmiegte. Bisher hielt ihr Aufenthalt an der dänischen Nordseeküste, was er sich davon versprochen hatte. Erstmals hatten sie Zeit für sich, ohne Kinder, die bei Em waren, oder die ständige Gefahr eines Einsatzes. Die letzten sieben Tage hatten sie für Motorradtouren und ausgedehnte Spaziergänge am Meer oder für faule Stunden im Zimmer des kleinen, aber gemütlichen Hotels genutzt. Nachdem sie den erforderlichen Mindestaufenthalt hinter sich gebracht hatten, stand der entscheidenden Unterschrift am nächsten Tag nichts im Wege. Lächelnd zerzauste er Lauras Haare, die durch Sonne und Salzwasser einen rötlichen Schimmer bekommen hatten. „Was ist los? Du wirkst plötzlich so nachdenklich." „Ich überlege, ob ich dich etwas frage. Na ja, eigentlich zwei Sachen. Oder nein, drei." Überrascht über den ernsten Ton blieb er stehen. „Statt lange zu überlegen, tu es einfach." „Ich will diese Stimmung nicht verderben." „Tust du nicht. Wenn ich nicht antworten will, wirst du es schon merken." Laura knuffte ihn. „Also manchmal könnte ich dich …" „Küssen?", schlug er grinsend vor. „Eher nicht. Also, gut. Mit wem hast du heute Morgen telefoniert, als ich im Badezimmer war?" Um Zeit zu gewinnen, beobachtete er wie eine Möwe mit schrillem Kreischen auf die Wasseroberfläche hinabstieß, und entschloss sich dann zu einer ehrlichen Antwort. „Wenn ich geahnt hätte, dass du das mitbekommen hast, hätte ich es dir schon früher erklärt. Der Anruf war von Henrik." Als er Lauras weit aufgerissene Augen sah, wurde ihm schlagartig bewusst, dass sie bei der Erwähnung des Chefarztes der Ostseeklinik, in der seine Schwester behandelt wurde, die falschen Schlussfolgerungen gezogen hatte. „Beruhige dich, keine schlechten Nachrichten. Eher im Gegenteil." „Was hat er gesagt?" „Eine neue Zahl: Dreizehn nach Glasgow." „Dreizehn", wiederholte Laura verblüfft. Dr. Henrik Fischer hielt eigentlich nicht besonders viel von der Glasgower Skala, die üblicherweise zur Beurteilung komatöser Zustände herangezogen wurde. Ihm waren die Kategorien zu standardisiert, und er bevorzugte seine eigene Methode. „Vor vier Wochen waren es höchstens sechs. Wenn Henrik sich zu solch einer Aussage hinreißen lässt, dann heißt das Einiges. Er ist übervorsichtig mit seinen Prognosen", überlegte Laura laut. Mark wehrte sofort ab. „Mach dir nicht zu große Hoffnung. Sicher ist nur, dass Sharas Zustand sich gebessert hat. Du hast genügend Patienten erlebt, die wieder aufgewacht sind, selbst wenn meine Schwester aus dem Koma erwacht, dauert es Monate, bis sie ein normales Leben führen kann wenn überhaupt." „Aber dreizehn bedeutet obere Grenze bei mittleren Fällen. Das klingt richtig gut. Hat er Details genannt?" „Ja, unter anderem hat sie sehr heftig auf einen Besuch von Rami reagiert, dieses Mal mit Worten, die zunächst nicht verständlich waren. Aber Rami und Henrik haben sofort die richtige Idee gehabt. Für sie war das nicht verständlich, aber für Tom schon, er spricht fließend Paschtu und versteht etliche afghanische Dialekte. Ich habe ihn gebeten, für Henrik zu übersetzen. Das war alles. Zufrieden?" „Ja. Nein." „Was denn jetzt?", hakte Mark nach. „Du hättest es mir gleich sagen sollen." „Vielleicht. Aber ich wollte nicht, dass irgendetwas unsere Zeit stört." „Du meinst wohl eher mich stört? Hör auf damit, Mark. Du musst mich nicht ständig beschützen, wir machen so was gemeinsam durch. Verstanden? Was glaubst du denn, wie ich zurechtkomme, wenn du unterwegs bist?" Er musste ihr zustimmen. Obwohl er so oft wie möglich nach Hamburg flog, gab es immer wieder tage- und wochenlange Trennungen. „Also gut, tut mir leid. Was meinst Du: Fahren wir zurück ins Hotel?" „Und was wollen wir da?", fragte sie mit einem frechen Grinsen. „Ich lasse mir was einfallen", versprach er. Lauras Lachen blitzte wieder auf, dann wurde sie schnell wieder ernst. „Da ist noch was.“ Sie machte eine kurze Pause, ehe sie weitersprach. „Mein Vorschlag war falsch." Mark runzelte verständnislos die Stirn. „Na, die ganze Art und Weise. Alleine hierher zu fahren.“ Absichtlich übertrieben seufzte er. „Das ist schon in Ordnung so. Können wir nicht einfach …" Bedeutungsvoll sah er in die Richtung, in der der Parkplatz lag, auf dem seine Yamaha stand. „Nein, es ist mir wichtig. Ich wusste, dass du mit Sven und Dirk befreundet bist und irgendwie auch mit Jake. Aber eigentlich habe ich erst begriffen, wie viel dir dein Team bedeutet, als du mir ein bisschen was von ihnen erzählt hast. Du hättest sie bei unserer Hochzeit gerne dabei, oder? Ich nämlich jetzt auch." „Diese Nervensägen? Ich bin froh, sie einige Tage nicht zu sehen. Aber es war deine Entscheidung, einfach nur ein Blatt Papier zu unterschreiben. Du hättest es auch anders haben können." „Hör auf, Mark. Es geht hier nicht um mich. Und in Deutschland gibt es außer Em und deinen Freunden niemanden, der auch mir nahesteht. Bei euch und in deinem Team ist das völlig anders: Ihr seid euch näher als manche Familienmitglieder. Sie werden sauer sein." Er erinnerte sich noch an Dirks Versuche, ihn auszufragen, winkte aber lässig ab. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Erstens bin ich der Boss, und zweitens haben sie mir bisher jeden Alleingang verziehen. Sie werden sich am Ende einfach mit uns freuen. Außerdem hat dein Entschluss auch Vorteile. Der Papierkram in Deutschland hätte uns wahnsinnig gemacht." Mark dachte an einen bestimmten Punkt in den Navy-Vorschriften und lachte. „Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich meinen vorgesetzten Offizier um eine Heiratserlaubnis bitten müsste? Ganz schöner Schwachsinn, oder?“ Überzeugt schien Laura nicht, aber sie ließ das Thema fallen, und Mark atmete auf. Das Rotorengeräusch eines tieffliegenden Hubschraubers übertönte das Plätschern der Wellen und Kreischen der Möwen. Automatisch verfolgte er den Kurs des Helikopters. Weil die Sonne ihn blendete, konnte er das Nationalitätskennzeichen nicht erkennen, aber soweit er wusste, verfügte das dänische Militär über keine der recht neuen NH 90- Transporthubschrauber. Die Maschine schwebte sekundenlang über ihnen, dann drehte sie ab und setzte ihren Flug fort. Der Hubschrauber schien in einiger Entfernung zu landen, jedenfalls wenn er das leiser werdende Geräusch richtig interpretierte. Aber das war keine Überraschung, die deutsche Grenze war nicht allzu weit entfernt, und beide Armeen trainierten regelmäßig zusammen. Nach wenigen Minuten hatten sie die schmale sandbedeckte Straße erreicht, die mitten in den Dünen endete. Verlassen stand seine Yamaha auf dem kleinen Parkplatz, der bei ihrer Ankunft noch gut besucht gewesen war. Laura wollte auf das Motorrad zugehen, aber Mark hielt sie zurück. „Warte", befahl er. Aufmerksam betrachtete er die umliegenden Dünen. Eine flüchtige Bewegung hinter einem ausgetrockneten Busch und ein rötlicher Schimmer, der dort nicht hingehörte, alarmierten ihn. Rasch zog er Laura hinter sich. „Irgendwas stimmt nicht", teilte er ihr leise mit. Er hätte einiges für sein Gewehr mit Zielfernrohr gegeben, aber im Moment musste seine Digitalkamera reichen. Mit einem Griff hatte er sie aus seiner Lederjacke gezerrt und zoomte den Busch dichter heran. Als er den Grund für die rote Färbung erkannte, musste er lachen. „War das vorhin dein Ernst?" „Was meinst du?" „Ich meine, dass du deine Meinung geändert hast." „Ja, sicher. Warum?" „Darum", antwortete Mark und grinste, als er ihre verwirrte Miene sah. Als sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, stieß er einen gellenden Pfiff aus. „Was soll das?" „Warte einfach.“ Das Geräusch mehrerer Motorräder wurde stetig lauter. Mit hoher Geschwindigkeit tauchten zwei Maschinen aus der Kurve auf und bremsten vor ihnen dermaßen scharf, dass der Sand zu allen Seiten spritzte. Kaum hatten die Fahrer ihre Zweiräder zum Stillstand gebracht, erschienen zwei weitere, die mit zwei Personen besetzt und deutlich vorsichtiger unterwegs waren. Lauras Augen weiteten sich überrascht, als der Fahrer des ersten Motorrads abstieg und sich breit grinsend Helm und ein Headset herunterriss. „Habt ihr wirklich geglaubt, damit durchzukommen?", erkundigte sich Dirk ausgesprochen spöttisch. Alex hatte die zweite Maschine gefahren und ihr Gesichtsausdruck stand dem ihres Mannes in nichts nach. „Ich hätte euch für intelligenter gehalten." Sven, Britta, Jake und Lisa grinsten sie ebenfalls an. Nach einer Begrüßung, die einer Kakophonie aus Gesprächsfetzen glich, packte Lisa Laura am Arm. „Los, komm mit, wir haben noch einiges vorzubereiten. Du fährst bei Alex mit, ich nehme Britta auf Jakes Kiste mit." Sofort fuhr Jake herum. „Moment, vergiss es, wie soll ich …" „Mir doch egal, fahr bei Mark oder Dirk mit oder geh zu Fuß. Jetzt steht nicht so herum, Laura. Em und die Kinder warten im Hotel und werden bestimmt allmählich ungeduldig. Ich mag gar nicht daran denken, was wir noch alles organisieren müssen. Ach ja, unsere Eltern sind natürlich auch da und ein paar Freunde. … Na, du wirst schon sehen …" Mark schmunzelte über Jakes fassungslose Miene, mit der er seinem Motorrad nachsah „Ich glaube das nicht", murmelte sein Freund leise. „Nette Aktion, Jake. Aber an euerm Späher müsst ihr noch arbeiten." Endlich wandte sein Freund den Blick von der leeren Straße ab. „Tom konnte sich nicht von Andi losreißen, Pat hatte sich freiwillig angeboten." „Andi? War er das mit dem Hubschrauber?", vermutete Mark. „Klar, der gehörte zu uns und einige Fahrzeuge. Wir konnten weder die Kinder noch das Gepäck auf den Motorrädern mitnehmen. Freu dich, ich habe deine Uniform eingepackt." Jake grinste breit und holte ein zerknittertes, mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus seiner Lederjacke „Und dir das besorgt", verkündete er. Dirk und Sven brachen gleichzeitig in Lachen aus, als Mark das Formular überflog und genervt den Mund verzog. „Das hätte ich schon hinterher gerade gebogen." „Sicher, Captain", bestätigte Dirk und boxte ihm leicht in die Seite. „Unglaublich, dass ein Angehöriger der Navy die Erlaubnis seines Vorgesetzten braucht, wenn er heiraten will. Sechzehntes Jahrhundert oder woher stammt der Schwachsinn?" „Keine Ahnung, hätte mich auch nicht interessiert. Was habt ihr vor? Wie ihr uns gefunden habt, brauche ich ja nicht zu fragen, oder?" „Der eingebaute GPS-Chip deines Sat-Handys hat die Angelegenheit erleichtert, dazu noch der nächtliche Besuch eines begabten Hackers beim örtlichen Standesamt und die Sache war klar. Na ja, das Hotel ist fest in unser Hand und man könnte sagen, dass wir fürs richtige Ambiente sorgen", erklärte Sven. „Inklusive vorgeschriebener blauer Uniform", ergänzte er boshaft grinsend. „Uniform? Ich hatte nicht vor …" Mark gab auf, als er die Mienen seiner Freunde betrachtete. „Weiße Uniform oder ihr seid tot." Sven verschränkte die Arme vor der Brust. „Vorgeschrieben ist blau und morgen sollen es 25 Grad werden. „Ich meine es ernst …", versuchte sich Mark Gehör zu verschaffen, erntete aber nur lautes Gelächter. Schließlich legte Dirk ihm eine Hand auf den Arm. „Lass uns leben. Jake hat uns schon aufgeklärt. Weiß." Sein Freund reckte sich, sodass irgendwelche Rückenwirbel hörbar knackten. „So, genug geredet, zum Glück scheinen die Beiden mit unserem Überfall leben zu können. Jake, du kannst bei mir mitfahren, ich brauche dringend eine Dusche und ein kaltes Bier. Die Reihenfolge überlege ich mir während der Fahrt." Breit lächelnd ging Mark zu seiner Yamaha. Die nächsten Stunden würden interessant werden. Statt einer unpersönlichen Trauung in Form ihrer Unterschriften auf einem offiziellen Formular, testiert von zwei unbekannten Trauzeugen, die ihnen das dänische Standesamt zur Verfügung gestellt hätte, standen Mark und Laura am nächsten Vormittag im Foyer des Hotels, das mit weißen Girlanden und unzähligen Blumengestecken nicht wiederzuerkennen war. Amüsiert beobachtete Mark, wie begeistert Laura sämtliche Details in sich aufnahm, ihre Vorbehalte gegen seine Familie und seine Freunde schienen endgültig vergessen zu sein. „Ich war ein Idiot", flüsterte sie Mark leise zu, als ob sie seine Gedanken erraten hätte. Statt einer Antwort zog er sie eng an sich. „Ohne Em und die Kinder wäre es nicht dasselbe gewesen." Ein flüchtiger Schatten zeigte sich auf Lauras Gesicht. Ehe Mark etwas sagen konnte, erklang die tiefe Stimme seines Vaters hinter ihnen. „Denk heute nicht an deine Eltern, Laura. Sie sind selbst schuld, dass sie unsere Einladung ausgeschlagen haben. Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, seine Freunde schon und da hast du entschieden mehr Glück gehabt. Außerdem bekommst du Rose und mich auch noch dazu. Aber dazu sag lieber nichts, zerstör nicht meine Illusion, dass du perfekte Großeltern für die Kinder und natürlich Schwiegereltern bekommst", forderte er augenzwinkernd. Die Worte seines Vaters trieben Laura Tränen in die Augen. Im nächsten Moment hing sie am Hals des Admirals, der ihr etwas hilflos über den Rücken streichelte. Die Hoteldirektorin, die es mit bemerkenswerter Gelassenheit hingenommen hatte, dass neben diversen Fahrzeugen auch ein Hubschrauber auf ihrem Parkplatz stand, sah sich prüfend in der Halle um. „Es kann losgehen", verkündete sie energisch. Laura zögerte. „Sag mal, Mark Ich wollte nur dieses Ganze. Der Hubschrauber, das Hotel das kostet doch ein Vermögen. Wir sollten deinem Vater anbieten, dass wir …" Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Sag ihm das selbst. Ich kann mir seine Reaktion ungefähr vorstellen." „Ich mir auch. Kannst du das nicht übernehmen?" „Ich? Ich hänge an meinem Leben. Mach dir keine Sorgen, das geht schon in Ordnung." Herausfordernd tippte sie auf die bunten Auszeichnungen an seiner Uniform. „Ich dachte, du wärst mutiger." „Mutig und verrückt sind zwei verschiedene Dinge." Diesmal zog sie provozierend an dem goldenen Trident. „Ich dachte, dafür stünde euer Abzeichen." „Falsch gedacht. Bist du fertig damit, an meiner Uniform herumzuzerren?" „Eigentlich nicht. Die gefällt mir wirklich gut. Jetzt verstehe ich, warum diese dämliche Ziegen so hinter dir her waren. Und die gute Frau Almquist kann den Blick auch kaum von dir lösen." Betont beleidigt verzog sie den Mund. Mark runzelte die Stirn und lachte dann leise. „Meinst du diese Roberts-Schwestern? Die habe ich schon längst vergessen und Frau Almquists Aufmerksamkeit gilt jetzt Tom." Leise lachend gab Laura ihm Recht, als sie sah, wie die Hoteldirektorin an den Lippen des SEALs hing. Nach den erforderlichen Unterschriften, den Glückwünschen des Standesbeamten und dem obligatorischen Kuss, war Dirk, der Erste, der ihnen gratulierte. Für Marks Geschmack fiel der Kuss zu innig aus, aber der Feststellung seines Freundes, dass ihm Lauras Nachnamen jetzt gefiel, schloss er sich vorbehaltlos an. Ramis Blick war nicht schwer zu verstehen. „Das regeln wir in Deutschland", versprach er ihr und zauberte ein Lachen auf ihr Gesicht. Aufgrund des schönen Wetters war die Feier auf die Grünfläche vors Hotel verlegt worden. Umgeben von Rosenbüschen, die in voller Blüte standen, waren Bistrotische, Stühle und Sonnenschirme verteilt worden. „Viel Spaß", wünschte Dirk ihnen augenzwinkernd und deutete auf die Holztür, die ins Freie führte. Als sie aufschwang, stöhnte Mark unwillkürlich auf. Sämtliche SEALs hatten an beiden Seiten des Sandwegs Aufstellung genommen, die Offiziere unter ihnen bildeten mit ihren traditionellen Säbeln einen glänzenden Bogen. „Mann, sieht das toll aus", kommentierte Rami. „Na los, dann haben wir es hinter uns", erwiderte Mark wenig begeistert und erntete empörte Blicke der Frauen. Aber als sie Rage und Dell erreicht hatten, musste er sich auf die Innenseite seiner Wange beißen, um nicht laut loszulachen. „Probleme?", erkundigte er sich bei Dell mühsam beherrscht, während Rami und Laura ungehemmt kicherten. „Ziemliche", gab Dell unumwunden zu und steckte seinen Säbel weg. Tim war Alex offensichtlich entkommen, zerrte an der Hose des SEALs und forderte energisch „Hoch". Der SEAL hob den Jungen auf den Arm, der sofort vor Freude strahlte. Nicki hatte das Schauspiel stumm verflogt und sah nun Mark bittend an. Ohne zu zögern erfüllte er dem Jungen seinen Wunsch. „Sieht aus, als ob sie euch fest im Griff hätten", stellte Rage süffisant grinsend fest. Ein rasch anschwellender ohrenbetäubender Lärm verhinderte eine angemessene Antwort. Zwei Kampfflugzeug jagten im Tiefflug auf sie zu und stiegen unmittelbar über ihnen senkrecht in die Luft. In einem weiten Winkel entfernten sie sich voneinander, flogen in einem atemberaubenden Manöver wieder aufeinander zu und stießen steil herab. Erschrocken schnappte Laura nach Luft an, aber die Jets gewannen rasch ihre normale Flughöhe zurück und entfernten sich mit wackelnden Flügeln. „Sieh doch, Mama, sieh nach oben. Das glaubt mir in der Schule keiner. Em, mach ein Foto", forderte Rami. Begeistert starrte sie auf das gigantische Herz, das die Abgasstrahle der Phantomjäger an den Himmel gemalt hatten. Das Grinsen, mit dem Andi und Mike auf sie zukamen, verriet, wer für den Zwischenfall verantwortlich war. Wieder folgten herzliche Umarmungen und Glückwünsche. „Lauter ging es wohl nicht?", erkundigte sich Mark schließlich gespielt unwirsch. Andi runzelte nachdenklich die Stirn. „Vielleicht, wenn wir mehr Vorbereitungszeit gehabt hätten, aber so sind uns nur die F4Fs eingefallen, Mac." „Eine Karte hätte es auch getan", warf Laura ein und erntete ein empörtes Luftholen ihrer Tochter. „Dann bin ich froh, dass ihr keine längere Vorbereitungszeit hattet. Ich möchte nicht wissen, was euch dann eingefallen wäre. Die Überraschung ist euch jedenfalls gelungen." „Kein Problem, für dich immer und bei so einem Anlass sowieso." Zufrieden ließ Mark seinen Blick durch den Garten, in dem die Feier noch in vollem Gange war, schweifen. Neben den beiden SEAL-Teams und den KSK- Soldaten waren enge Bekannte oder Freunde eingeladen worden und da seine Freunde in Eigenregie dafür sorgten, dass der Nachschub am Schwenkgrill und an Getränken nicht gefährdet war, brauchten sie keine Rücksicht bei ihren Gesprächen nehmen. Allerdings hätte er auf die Anwesenheit seines Patenonkels verzichten können. Harm Richards schien einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten aus Marks Jugend zu haben, die er nun Laura präsentierte. Mark versuchte es mit einem warnenden Blick. Unbeeindruckt winkte sein Onkel ab. „Vergiss es, Junge. Das hat bei mir schon nicht funktioniert, als du siebzehn warst." „Bestechung?" Mark schob ihm eine geöffnete Bierflasche hin. „Schon eher, kommt aber gegen das Lachen deiner Frau nicht an. Also, Laura, wo waren wir stehen geblieben? Ganz schlimm wurde es, als er mit neunzehn Brian kennen gelernt hat. Brian ist der größte Chaot unter der Sonne, aber beide zusammen, das ist …" Mark hörte nicht weiter zu, sondern dachte mit einem Anflug von Wehmut an seinen Freund, der irgendwo in Nordafrika im Einsatz war. Entschieden schüttelte er den Gedanken ab und wollte einen neuen Versuch unternehmen, seinen Onkel zu einem Themenwechsel zu bewegen, als dieser plötzlich verstummte und auf einen Punkt hinter Marks Rücken starrte. Irritiert drehte er sich um. Ein weißer Volvo bog mit überhöhter Geschwindigkeit in den Sandweg zum Hotel ein, landete fast auf dem Rasen und kam dann schlitternd knapp vor einem Mercedes zum Stehen. Fahrer und Beifahrer waren allem Anschein nach in ein heftiges Wortgefecht verwickelt und keiner machte Anstalten, den Wagen zu verlassen. Mark spürte, wie sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Er hätte es wissen müssen. Eilig ging er auf den Volvo zu. „Du verdammter Idiot, Dad bringt dich um", begrüßte er Brian. „Das denke ich auch, aber das ist es mir wert. Glückwunsch, Mark." Herzlich umarmten sie sich, ehe Jerry, Brians Stellvertreter, sein Recht forderte. „Legst du ein gutes Wort für uns ein, Mark?" „Ich sehe, was ich für euch tun kann. Aber ich fürchte …" Der Admiral kam auf sie zu, schon von weitem sahen sie ihm an, dass er stinksauer war. Außer Atem fing Rose ihren Mann ab. „Nicht heute, Jim. Lass den Jungen leben. Sieh dir an, was es ihnen bedeutet, sich heute zu treffen. Der Job fordert sonst genug Opfer von ihnen. Vertrau Brian, er wird schon wissen, was er tut." Gezielt übersah Brian den Admiral, der seit seinem neunzehnten Geburtstag wie ein Vater für ihn war, und umarmte stattdessen Rose. „Ich freue mich, dich zu sehen." „Es ist viel zu lange her, mein Junge. Schön, dass ihr es geschafft habt. Nicht wahr, Jim?" Der Admiral ignorierte die unverblümte Aufforderung seiner Frau und blickte seinen Teamchef kalt an. „Nicht, wahr, Jim?", wiederholte Rose lauter, diesmal mit einer deutlichen Drohung. „Ich will keine Einzelheiten hören, aber wenn die Operation auffliegt, dann könnt ihr wieder vorne anfangen, beim BUD/S Training. Ist das klar?" „Aye, Sir", bestätigten Jerry und Brian wie aus einem Mund. Dann grinste Brian vorsichtig. „War’s das jetzt, Jim?" Er wartete keine Bestätigung ab, sondern umarmte Laura herzlich, die zögernd näher gekommen war. „Glückwunsch, Laura. Schön, dass wir uns endlich kennen lernen. Ich habe von Anfang an gemerkt, dass es Mark erwischt hat. Das wurde aber auch Zeit." Mark lächelte, als er sah, wie verblüfft Laura Brian ansah. Mit der dunklen Jeans und dem weißen T- Shirt, den blonden, ungekämmt wirkenden Haaren und den Augen, die meistens fast schwarz wirkten, entsprach er nicht im Geringsten dem Bild eines Navy-Offiziers. Energisch versuchte Jerry seinen Freund zur Seite zu schieben, ein vergebliches Unterfangen, da er mindestens einen halben Kopf kleiner als Brian war. „Vielleicht stellst du dich erstmal vor, Reese? Und dann nimm endlich deine Hände von Laura. Erstens will ich sie auch begrüßen und zweitens bringt Mark dich sonst noch um." Endlich schaffte er es, sich zwischen die beiden zu drängen und küsste Laura auf beide Wangen. „Ich bin Jerry Starwell, die meistens nennen mich Star, und falls du dich wunderst, wo meine Haare geblieben sind. Das liegt an Brian. Mit so einem Boss vergiss es. Alleine die Idee, heute aufzutauchen …" „Moment, es war deine Idee, das Flugzeug auszuleihen", protestierte Brian empört. „Stimmt nicht. Ich habe bedauert, dass es nicht funktioniert." „Eben. Deine Idee. Ich habe dir nur bewiesen, dass es doch geht." Schlagartig schien Brian jedes Interesse an dem Geplänkel mit Jerry verloren zu haben, was vermutlich auch gesünder war, da der Admiral bereits hörbar nach Luft geschnappt hatte. Lächelnd visierte Brian sein nächstes Opfer an. „Hey, ich bin Brian, du musst Dirk sein. Als erstes verrate mir, wie du und dein Partner Mark und Jake beim Training fertig gemacht haben, und dann will ich wissen, wo es das Bier gibt." Jerry stöhnte, als er Marks grimmigen Blick bemerkte. „Er lernt es nie, den Mund zu halten. Wie soll ich dem Chaoten nur den Rücken freihalten?" Nach dem Einsetzen der Dämmerung tauchten Fackeln und Windlichter den Garten in ein behagliches Licht. Dennoch blickte Mark sich misstrauisch um. Irgendetwas war im Gange, das ihn ausschloss. Er hatte lediglich einen skeptischen Blick von Sven in seine Richtung auffangen können, dann waren seine engsten Freunde verschwunden. Wenigstens gab es an der von Jake und Dirk ausgesuchten Musik nichts auszusetzen. Sie hatten seinen Geschmack perfekt getroffen, trotzdem sah er sich ein weiteres Mal vergeblich nach seinen Freunden um. Dann gab er es auf und die eindringlichen Klänge von Phil Collins’ „In the air tonight" brachten die Erinnerung an den Zeitpunkt vor Dirks Haus zurück. Wieder sah er sich mit seinem Freund zusammen, ruhig und entschlossen auf das Haus zugehen, obwohl sie wussten, was sie drinnen erwarten würde. Es schien zu passen, dass unerwartet Dirk vor ihm stand und seine Gedanken erraten hatte. „Die Nacht, als ich dich zur Vernunft bringen musste?" Obwohl sein Freund ohne jeden Spott gesprochen hatte, hätte Mark eine andere Formulierung vorgezogen, so nickte er lediglich. „War ganz schön knapp. Ich hoffe, diesmal bist du schneller einsichtig. Komm mit. Wir müssen reden." Vor neugierigen Blicken durch einen hohen Rosenbusch verborgen, sahen ihnen sein Vater, Sven und Jake entgegen. „Deine Freunde wissen bereits Bescheid und ich hoffe, dass ihre Anwesenheit verhindert, dass du wieder eine deine überstürzten Entscheidungen im Alleingang triffst. Heute Abend kann ich auf eine unserer Machtproben verzichten, Captain." Endgültig besorgt nickte Mark knapp. Die Anrede war ein deutliches Zeichen, dass es formell wurde. Aber wieso dann die Anwesenheit von Sven und Dirk? „In den letzten Wochen sind in Washington und Coronado Entscheidungen gefallen, die uns direkt betreffen." Das Ganze gefiel Mark immer weniger. Die Gerüchteküche war seit Wochen auf Hochtouren gelaufen und Mark und Jake hatten vergeblich spekuliert, was in der Luft lag. Andeutungen machten die Runde, dass die Spezialteams aufgelöst werden sollten, aber das hätte nach der Versetzung von Rage und ihrer Erfolgsquote keinen Sinn gemacht. Auf der anderen Seite war das Militär für unsinnige Entscheidungen bekannt. Vergeblich versuchte Mark Jakes Miene zu interpretieren, fand aber nur Gelassenheit. Endlich sprach sein Vater weiter: „Obwohl ihr bei dieser Giftgasaffäre erfolgreich ward, hat es heftige Irritationen über unser Vorgehen zwischen und Berlin und Washington gegeben. Einiges konnten Tannhäuser und ich abfangen, leider nicht alles. Ich erspare euch die endlosen Diskussionen über gesetzliche Grundlagen und die halbherzige Unterstützung im Kampf gegen den Terror, wichtig ist nur das Ergebnis: Für mindestens ein Jahr wird eines unserer Teams in Deutschland stationiert. Wir hatten bisher ein reguläres Team mit logistischer Unterstützungstruppe in Stuttgart, das wird geändert. Die Logistiker bleiben, werden aber nach Rostock verlegt. Schwerpunkt werden Einsätze im europäischen und arabischen Raum sein, daneben wird das Team Ausbildungsaufgaben beim KSK und den Kampfschwimmern der deutschen Marine übernehmen." Überrascht fuhr Marks Kopf zu Jake herum und fand seinen Verdacht bestätigt. Der Gedanke, für einen begrenzten Zeitraum in Lauras Nähe stationiert zu sein, war verführerisch, dennoch schüttelte er entschieden den Kopf. „Nette Idee, aber ich werde meine Männer nicht aus ihrem familiären Umfeld reißen, nur weil ich zufällig ..." Jake ließ ihn nicht ausreden, sondern seufzte. „Genau das haben wir befürchtet. Denk nach, Mark. Wer wäre geeigneter für den Job als wir? Ein reguläres Team? Eher nicht. Rage? Reese? Vergiss es. Wir kennen das Land, haben hier Freunde, Kontakte zum KSK und sprechen teilweise die Sprache. Außerdem hast du von uns noch kein Hochzeitsgeschenk bekommen verdammt, Mark, wir würden dir auch für zwölf Monate in die Wüste folgen, Rostock ist um Einiges angenehmer. Die Jungs freuen sich für dich und sind einverstanden." „Du hast mit ihnen bereits gesprochen?" „Sicher." Mark holte scharf Luft, doch Dirk ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern drückte ihm einen Umschlag in die Hand. „Rostock ist über die A20 von Ahrensburg aus gut erreichbar. Ungefähr eine Stunde. Das ist ein Kaufvertrag für das Haus, in der das Team untergebracht war. Ich weiß, dass es dir gefallen hat und netterweise wollen die Besitzer es dringend loswerden. Der Preis ist so günstig, dass du es problemlos in einigen Monaten mit Gewinn wieder verkaufen kannst. Rami kann mit der S-Bahn ihre alte Schule erreichen und Laura ist dicht bei ihren Freundinnen, wenn du unterwegs bist." Mark fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Das Gefühl, überrumpelt worden zu sein, hielt sich mit der Gewissheit, dass die Argumente seiner Freunde zutrafen, die Waage. „Das habt ihr euch ja schön ausgedacht. Und ich habe dabei nichts zu sagen?" Sein Vater klang bereits ungeduldig: „Nicht unbedingt, ich kann es auch befehlen, aber es wäre mir lieber, wenn du dich über die Gelegenheit freust." „Natürlich wäre das Ganze für mich ideal, aber ich kann mein Interesse nicht über …" Dirk unterbrach ihn erneut. „Jetzt hör endlich auf. Deine Jungs freuen sich, nur du machst Stress. Jetzt gib nach oder ich fahre schärfere Geschütze auf." „Und was könnte das sein?" „Zwinge mich nicht dazu, es auszusprechen. Nicht, wenn du es geheim halten willst. Andererseits wissen wir ja sowieso Bescheid." Mark wich dem herausfordernden Blick seines Freundes nicht aus, es gab Dinge, die selbst sein Freund nicht wissen konnte, aber Svens leises Lachen gefiel ihm ebenso wenig wie Jakes angedeutetes Grinsen. Übertrieben seufzend schüttelte Dirk den Kopf. „Also gut, deine Entscheidung. Laura wird dich die nächsten Monate brauchen. Mit zwei Kindern in ihrem Zustand alleine, während du unterwegs oder in Virginia bist, ist nicht gerade ideal, oder?" Fassungslos starrte Mark ihn an. Er hatte sich geirrt, Dirk wusste Bescheid, wenn er Jakes und Svens Grinsen richtig interpretierte, die beiden ebenfalls. „Woher weißt du …?" „Ich doch nicht, für so etwas haben wir Sven. Ihm ist aufgefallen, dass deine Frau außer einem halben Glas Sekt nichts getrunken hat und ziemlich dicht am Wasser gebaut ist. Wir haben dann gezielt noch andere Hinweise gesucht und gefunden. Tja, Captain, in der Beziehung kannst du noch etwas von uns lernen, wir haben die Erfahrung schon hinter uns. Herzlichen Glückwunsch … Daddy." Sein Ärger verflog endgültig, als wie auf ein geheimes Zeichen Laura auftauchte und sich ratlos umsah. „Was ist denn hier los?" Unwillkürlich fragte er sich, warum er eine Minute gezögert hatte, das Angebot anzunehmen. „Ich habe gerade das Hochzeitsgeschenk von meinem Vater und dem Team bekommen: Stationierung in Rostock." Ungläubig öffnete Laura den Mund und sah statt Mark den Admiral an. Erst als der nickte, brach sie in Tränen aus und fiel seinem Vater um den Hals. Über ihre Reaktion verblüfft hob Mark eine Schulter. „Verstehst du das?", fragte er keinen Bestimmten. Lachend schlug Dirk ihm auf den Rücken. „Gewöhn dich daran, dass geht die nächsten Monate so weiter. Sie sind unberechenbar und heulen bei jeder Kleinigkeit los." Mark öffnete noch warnend den Mund, aber es war zu spät. Alex hatte sich von ihrem Mann unbemerkt zu ihnen gesellt und die spöttische Bemerkung mitbekommen. Nach einem kräftigen Boxhieb in den Rücken hob Dirk abwehrend die Arme. „Schon gut, Alex, ich sage nichts mehr und nehme alles zurück." Statt das Geplänkel mit ihrem Mann fortzusetzen, legte Alex lauschend den Kopf auf die Seite. „Hör mal, sie spielen euer Lied." Mark lächelte, als er den Refrain des Meat Loaf Songs erkannte. „Sometimes we must fight, but we never bend, the hero keeps fighting, standing tall in the end.” Grinsend schüttelte Dirk den Kopf. „Netter Gedanke, aber völlig übertrieben." Er wurde ernst und für einen Augenblick verlor sich sein Blick in der Ferne. Dann hob er lächelnd seine Bierflasche und sah sie der Reihe nach fest an. „Aber eins ist richtig: Aufgeben ist keine Option!" Ohne zu zögern, absolut synchron erwiderten Mark, Jake und Sven den Gruß und antworteten wie aus einem Mund. „Niemals!"